von Angrit Döhmann
FRIEDRICHSHAFEN - Das diesjährige Frühjahrskonzert des Harmonika-Clubs Friedrichshafen (HCF) werden die etwa 500 Zuhörer so schnell nicht vergessen: Nicht nur die beiden virtuosen Musiker, Leonie Kratz mit ihrer voluminösen Sopranstimme und der Tausendsassa am Akkordeon Matthias Matzke, haben das Publikum zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Das 26-köpfige Akkordeonorchester unter Leitung von Wolfgang Zysk hat mit beeindruckenden Auftritten geglänzt.
Die uneingeschränkten Stars des Abends im Hugo-Eckener-Saal des Graf-Zeppelin-Hauses (GZH) waren die Sopranistin und der bereits mit vielen Preisen ausgezeichnete Akkordeonist. Die schlanke 24-jährige Leonie Kratz aus Trossingen überraschte mit ihrer kräftigen, klaren und bis in große Tonhöhen reichenden Sopranstimme. Matthias Matzke, ebenfalls 24 Jahre alt, hat sich offenbar bis in die Haarspitzen der Musik verschrieben und beherrscht sein Akkordeon, als wär’s ein Stück von ihm selbst. Mit atemberaubender Geschwindigkeit flitzten seine schlanken Finger über die weißen und schwarzen Tasten seines Instrumentes. Erinnert werden muss hier an Randy Newmans Titel: „You can leave your hat on“.
Voller Körpereinsatz
Mit ganzem Körpereinsatz widmete sich der Akkordeonspieler diesem rockigen Popsong, sodass er das Publikum mit seinem Rhythmus ansteckte und mitriss. Dass der Musiker auch zartere Töne anschlagen kann, bewies er im Duett mit der Sängerin, als sie sich Franz Schuberts Lied „Die junge Nonne“ zuwandte.
Die Stars des Konzertabends vom Harmonika-Club Friedrichshafen:
Leonie Kratz und Matthias Matzke am Digitalakkordeon.
FOTO: ANGRIT DÖHMANN
Mehrere eigene Kompositionen gab der Musiker mit seiner Gesangskollegin ebenfalls im zweiten Konzertteil zum Besten. Hier verstreute auch Dirigent Wolfgang Zysk mit seinem 26-köpfigen Klangkörper – zu dem sich auch ein Schlagzeuger, Alfredo Battisti, gesellt hatte – sein selbst arrangiertes „Klassik Konfetti“. Dieses präsentierte sich für das Publikum als Ohrenschmaus mit heiter stimmenden Überraschungseffekten. Soeben in der Kindheit angekommen mit dem bekannten Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“, landete der Zuhörer an der Moldau von Friedrich Smetana, um sogleich mit dem River-Kwai-Marsch konfrontiert zu werden. Dieser lockere Querschnitt durch die Welt der Musik wirkte aufmunternd und sorgte für viel Gelächter im Saal.
Mit weniger bekannten lateinamerikanischen Rhythmen beschäftigte sich das Akkordeonquartett mit Patrick Helvy, Arno Gleinser sowie Wolfgang und Veronika Zysk. Während sich das Akkordeonorchester zu Beginn des Konzertes der klassischen Musik gewidmet hatte, zum Beispiel der Ouvertüre zu „Dichter und Bauer“ von Franz von Suppé oder einem Potpourri aus „Maske in Blau“ von Fred Raymond, geriet das Finale mit „El Dorado“ von Thomas Bergersen (geboren 1980), assistiert vom Digitalakkordeon von Matthias Matzke, zu einer modernen, rhythmisch ausgerichteten Filmmusik.
Die Begeisterung der Zuhörer im GZH schien grenzenlos zu sein und steigerte sich noch, als ein Ausschnitt aus dem Musical das „Phantom der Oper“ von Lloyd Andrew Webber als Zugabe serviert wurde. Standing Ovations mit Klatschen im Takt war der Dank des aufgekratzten Publikums.
Schwäbische Zeitung, 20.03.2017